Geschichte der astronomischen Uhren

Es ist schon 2000 Jahre her, dass man versucht hat, eine "astronomische Uhr" zu bauen. Der älteste Mechanismus der Welt, der astronomische Anzeigen machte, ist der Mechanismus von Antikythera. Dieses Gerät besaß schon Zahnräder und ist einmalig auf der ganzen Welt!

Es dauerte weitere 1000 Jahre, ehe eine weitere "astronomische Uhr" folgte. Laut einer chinesischen Website wurde die erste astronomische Uhr der Welt in China im Jahr 1092 von Su Song fertiggestellt. Ob man einen 12 Meter hohen Mechanismus als eine Uhr bezeichnen kann, ist allerdings eine andere Frage. Jedenfalls auch ein Unikat ohnegleichen.

In Europa gab es aber schon Anfang des 9. Jahrhunderts Bemühungen, astronomische Uhren zu bauen. Pacificus von Verona baute vermutlich eine Uhr, die auch die Mondphasen anzeigte. Es handelte sich aber wohl um eine Wasseruhr. Eine der ersten Räderuhren gab es wohl in der Abtei von Cluny in Frankreich im Jahre 1108. Es folgten auch Bemühungen im 13. Jahrhundert in Arabien. Auch da liefen die ersten Uhren mit Wasserkraft und haben nicht so viel mit späteren Uhren gemeinsam. Einen Nachbau der ersten Uhr aus Arabien findet man übrigens in einem Museum in den Niederlanden. Wie schon erwähnt, waren es aber englische und französische Mönche, die Uhren entwickelten, die mit Gewichten statt mit Wasser angetrieben wurden (im 14. Jahrhundert).

In England findet man auch heute noch die ältesten mechanischen Uhren der Welt. Mancherorts heißt es, in der Kathedrale von Salisbury befindet sich die älteste noch funktionierende mechanische Uhr der Welt. Die Uhr stammt aus dem Jahr 1386. Manche Quellen geben auch an, in der Kathedrale würde sich eine astronomische Uhr befinden. Nun, ich habe mich 2013 in der Kathedrale von Salisbury gründlich umgesehen und habe nur eine alte Uhr dort vorgefunden. Astronomische Angaben macht die Uhr jedoch keine. Laut Wikipedia ist es jedoch nicht die älteste mechanische Uhr der Welt, sondern nur die älteste noch funktionierende Kirchturmuhr in Großbritannien. Auf einer anderen Seite heißt es hingegen, es sei die älteste Uhr der Welt, die fast komplett aus Originalteilen besteht. Man findet sie bei mir in der Listenansicht im Ordner "Weitere Uhren".

Die astronomischen Uhren von Wimborne Minster und Ottery St Mary scheinen jedenfalls noch älter zu sein. Erstere stammt womöglich aus dem Jahr 1320. Auf jeden Fall ist aber die Uhr von Wells (1386-1392) eine der ältesten astronomischen Uhren der Welt, die es noch heute gibt. Sie zeigt nicht nur die Mondphase, sondern auch die Uhrzeit (auch außerhalb der Kathedrale) an. Das diese Uhren woanders nicht erwähnt werden, liegt vielleicht daran, dass sie außer die Uhrzeit nur die Mondphase anzeigen. Allerdings gibt es auch Hinweise, dass bereits 1326 eine Uhr von Richard Wallingford in Saint Albans (auch England) gebaut wurde, die nicht nur die Mondbewebungen anzeigte, sondern auch die Planeten! Zurück zu Cluny in Frankreich: 1340 gab es da wohl auch eine astronomische Uhr.

Laut Horologica wurde aber nicht in England oder Frankreich, sondern in Padua in Italien (1344) die erste astronomische Uhr der Welt gebaut! Die Uhr ist aber nicht mehr erhalten (Infos über Nachbauten findet man auf der Museumsseite), denn Venezianer haben sie 1390 zerstört. Die aktuelle Uhr stammt von 1424 (oder 1437). Hierbei handelt es sich um eine Uhr vom Dondi-Typ. Auf Platz zwei kommt eine Uhr aus Straßburg (1352-1354). Von der Uhr ist nur noch der Hahn erhalten.

Die 1. Uhr von Straßburg (1352) ist vielleicht die 1. Astrolabiumsuhr der Welt! Diese Uhr wurde so berühmt, dass man auch in Süd/Mittel-Deutschland ähnliche Uhren baute: Frankenberg [Hessen] (1359), Frankfurt a.M. (1384) und Villingen (1401). In Nord-Deutschland baute man hingegen die Hanse-Uhren: Rostock (1379), Bad Doberan (1390), Stralsund (1394), Lübeck (1405) und Wismar (1421). Keine dieser alten Uhren funktioniert mehr. Allerdings ist die Uhr von Stralsund immer noch im Originalzustand vorhanden. Diese Uhr sollte man sich also mal genauer ansehen. Bis 1424 wurden übrigens nur Astrolab-Uhren mit südlicher Projektion gebaut, danach nur welche mit nördlicher Projektion. Erst die neueren Astrolab-Uhren sind von gemischtem Typus. Zurück zu Frankreich: da wurden auch noch weitere Uhren gebaut, die aber nicht wie die Hanse-Uhren aussahen: Lyon (1383), Rouen (1389), Chartres (1407), Bourges (1424)...

Man muss jedoch nur in Prag an einer Führung teilnehmen, um zu erfahren, dass die Prager Uhr (1410) die älteste heute noch funktionierende astronomische Uhr der Welt ist (die im Laufe der Zeit nicht umgebaut wurde). Deren Mechanik wird aber streng geheim gehalten. Dennoch findet man bei Wikipedia Bilder dazu und stellt fest, dass dort nicht viele Teile im Originalzustand sind. Die Uhr von Bern (1405) hingegen ist 5 Jahre älter und noch fast im Originalzustand. Allerdings im Originalzustand von 1530. Die Uhr von Chartres (1407) ist auch 3 Jähre älter, aber auch nicht mehr im Originalzustand. Also geht der 1. Platz doch an Prag?

Fazit: das Kriterium "Originalteile" oder "Funktionstüchtigkeit" spielt bei der Frage nach der ältesten noch vorhandenen astronomischen Uhr der Welt eine wichtige Rolle. Die allererste astronomische Uhr der Welt existiert jedoch nicht mehr. Offiziell heißt es: die erste normale mechanische astronomische Uhr wurde von Jacopo Dondi 1344 in Padua gebaut. Wie man aber oben ließt, stimmt das aber nicht unbedingt.

Die Funktionsweise

Wie funktioniert eine alte astronomische Uhr? Kurz gesagt: mittels Zahnrädern und einem Gewicht. Mittels einer Seiltrommel wird ein Gewicht hochgezogen. Während das Gewicht langsam runter fällt, gibt es die gespeicherte potentielle Energie frei. Damit das Gewicht nicht sofort runterfällt, benutzt man eine Hemmung.

Als Hemmung benutzt man eine Spindel mit einer Waag und ein Kronrad. Das nennt man dann Spindel-Waag-Hemmung. Statt einer Spindel mit Waag kann man auch ein Pendel benutzen. Das ganze heißt dann Pendel-Haken-Hemmung. Das dazu gehörige Rad nennt man dabei Ankerrad. Mehr dazu findet man auch beim Fachkreis Turmuhren. Zurück zur Uhr von Salisbury. Wie man auf dem Foto erkennen kann (drauf klicken zum vergrößern), wird dort eine Spindel-Waag-Hemmung benutzt. Das ganze sollte man sich auch mal bei YouTube ansehen.

Zu guter letzt kommen noch die Zahnräder zum Einsatz. Es hängt nun u.a. von der Größe und der Anzahl der Zähne des Zahnrads ab, wie schnell sich der Zeiger weiter bewegt. Die Zeiger kann man an der Seiltrommel oder wo auch immer anbringen...
Eine Monduhr funktioniert also theoretisch genau so, wie auch eine normale Stunden-Uhr. Der einzige Unterschied: die Umlaufgeschwindigkeit des Zeigers. Und: bei einer Mondkugel wird kein Zeiger benutzt, sondern es wird eine Kugel(schale) gedreht.

Die Astrolabiumsuhr

In den Anfangszeiten astronomischer Uhren glaubte man noch an das geozentrische Weltbild: die Erde stand im Mittelpunkt und alles andere kreist drum herum. Bei den alten englischen astro. Uhren kann man das gut sehen: Mond und Sonne kreisen um die Erde im Mittelpunkt. Wie man an der Uhr von Ottery St. Mary sehen kann, braucht der Mond dabei 29,5 Tage für einen Umlauf um die Erde (synodischer Monat).

Als nächstes folgt bei mir 1390 (Bad Doberan) die 1. Astrolabiums-Uhr, die viel komplizierter ist. Astrolabiums-Uhren ähneln dem arabischen Astrolabium: ein scheibenförmiges Instrument, mit dem sich der drehende Himmel nachbilden lässt.
Die Uhr besteht aus einer festen Scheibe (Mater) und einem drehbaren Ring (Rete). Bei den alten Uhren sind auf der Rete die 12 Sternzeichen drauf. Bei den neueren hingegen die 12 Monate. Auch beim Astrolabium drehen sich Sonne, Mond (und Planeten) um die Erde im Mittelpunkt.

Das Astrolabium zeigt z.B. die Temporal- und Äquinoktialstunden an, in welchem Sternzeichen sich die Sonne gerade befinden, Wendekreis einiger Sternzeichen, die Mondphase und vieles mehr. Bei Wikipedia findet man viel darüber bei der Prager Rathausuhr von 1410 (die wohl berühmteste Astrolabiumsuhr).

Kunstuhren

Die Astrolabiumsuhren gehören auch zu den sog. Kunstuhren. Es sind eben auch echte mechanische Kunstwerke. Auch die Hanse-Uhren gehören zu dieser Klasse. Hanse-Uhren findet man nur rund um die Ostsee. Sie wurden zur Hanse-Zeit gebaut (bis Mitte des 16. Jahrhunderts) und wurden immer in Kirchen untergebracht. Anfangs waren das alles Astrolabiumsuhren. Später waren es nur noch Tierkreisuhren. Dazu gehören die Uhren von Stendal, Danzig, Rostock (und Lübeck).

Die 1. astro. Kunstuhr, die sich nirgendwo einordnen lässt, ist die von Olomouc / Olmütz (1422). Die komplexe Uhr im Straßburger Münster (1574) ist ebenfalls eines der großen Highlights astronomischer Kunstuhren.

Nun, wer denkt, dass diese Uhren für die Ewigkeit gebaut wurden, der irrt. Viele dieser alten Uhren liefen nicht sehr lange. Manche wurden verschrottet, andere landeten in Museen, aber viele wurden dann doch immer wieder einmal repariert und auf den neuesten technischen Stand gebracht. Manche standen sogar mehrere Jahrhunderte lang still, ehe sie repariert wurden.
So manche Uhr, die alt aussieht, hat ein relativ neues Getriebe. Die Uhr von Danzig wurde z.B. erst 1997 wieder in Betrieb genommen, nachdem sie gründlich renoviert wurde. Auch sie hat nicht lange gehalten. In einer kalten Winternacht soll sie ca. 2011 stehen geblieben sein. Nachdem ich 100 Uhren eingepfegt hatte, merkte ich, dass 90% davon noch funktionieren. So schlecht ist das nicht!

Monduhren

Über die reinen Monduhren ist nicht viel zu finden. Eine der ältesten Monduhren, die ich zu bieten habe, ist z.B. die aus Nürnberg (1509?). Viele Monduhren zeigen allerdings nicht nur den Mond, sondern auch die normale Uhrzeit an. Manche auch noch den Wochentag oder sowas.

Es gibt 3 Typen von Monduhren: die einen zeigen eine Mondkugel an. Da kann die Kugel zweifarbig angemalt sein oder es gibt noch eine Schale um die Kugel, die Teile der Kugel verdeckt. Typ 2: Scheiben. Auf einer Scheibe ist der Vollmond aufgemalt und die Scheibe dreht sich so, dass man immer nur den richtigen Teil der Scheibe sehen kann. Typ 3: ein Zeiger zeigt auf die aktuelle Mondphase.

Wenn man sich die Karte anschaut stellt man fest, dass es 2 Hotspots für reine Monduhren gibt: Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen als erstes und Baden-Würtemberg als zweites.

Für was muss man die Mondphase kennen? Vor hunderten von Jahren gab es noch keine Grenze zwischen Astrologie und Astronomie. Das Sternzeichen und die Mondphase wurde damals oft für Horoskope gebraucht. Auch bei der Gartenarbeit richtete man sich nach der Mondphase...

Moderne Uhren

Im belgischen Lier findet man im Zimmerturm jede Menge Uhren, die 1930 fertig gestellt wurden. Keine 100 Jahre als, aber dennoch sehr sehenswert. In den 1950er und danach wurden auch zahlreiche Uhren gebaut. Entweder hat man im zweiten Weltkrieg zerstörte Uhren wieder aufgebaut oder man hat auch ganz neue Uhren gebaut. Eine Uhr aus dem Jahr 1958 findet man z.B. am Rathaus von Worms. Ein sehr schönes Beispiel ist auch die Uhr am Bracken House in London (1955).

Astronomische Uhren werden auch heutzutage immer noch gebaut. Eine der neuesten astronomischen Uhren findet man in Esslingen: die FESTO-Uhr. Leider kann man die nur nach Anmeldung besichtigen.

Weiterhin erwähnenswert ist die relativ neue Uhr in Rockenhausen im Museum für Zeit. Die läuft Computer-gesteuert. Sicher, diese neuen Uhren sind wesentlich präziser als die alten Uhren, aber dennoch nicht weniger anfällig. Bei meinem 1. Besuch war die Uhr wegen einer leeren Batterie außer Betrieb. Auch die Uhr von 1942 in Sint-Truiden war bei meinem Besuch grad defekt. Die nachgebaute Uhr von Danzig war bei meinem Besuch auch defekt. Ich habe jedoch keine einzige alte Uhr angetroffen, die grad defekt war.

Fazit: die hunderte Jahre alten Uhren sind nicht präziser, laufen aber anscheinend doch zuverlässiger als die modernen Uhren!

Was wird demnächst noch kommen? Das weiß natürlich keiner, aber ganz bestimmt wird man auch in Zukunft noch astronomische Uhren bauen. Seien wir also mal gespannt auf ein paar neue Uhren...